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Sie können die Erinnyen Nr. 18 kostenlos herunterladen als: Erinnyen Nr. 18Zeitschrift für materialistische EthikHerausgegeben vom Frühjahr 2007
InhaltEditorialAphorismenRevolution am Samstag Nachmittag? Ein Tag im Mai. Über die Aktualität des Klassenkampfes
Wissenschaftlicher Beitrag zur Ethik (Teil 1) 1. Einleitung zur materialen Wertphilosophie 2. 1. Materiale Werte 3.1.. Reaktionärer Fortschrittsbegriff, konservative Wie steht es mit der Moral in der bürgerlichen Presse? „Nach dem bewaffneten Kampf“ Glossar Sollen auch die „Erinnyen“ zu Protesten gegen den G8-Gipfel aufrufen, obwohl sie mehr ein theoretisches Medium sind? Geschichtsphilosophisch geht diese Zeitschrift von der Erkenntnis aus, dass niemand sich aufseiten der Geschichte wähnen kann, weder die Politiker der „freien“ Marktwirtschaft noch deren Gegner. Die Geschichte, die Produktivkräfte, die bürgerliche Gesellschaft, die Klassen und Schichten machen nichts, erkämpfen nichts, bewegen nichts, kurz: Sie sind keine Subjekte der Entwicklung, sondern Subjekte können immer nur konkrete Individuen sein, auch wenn sie von vorgefundenen Bedingungen der Gesellschaft außer sich und einer sozial geprägten Triebstruktur in sich ausgehen müssen, auch wenn sie unkontrollierbare Mechanismen bedienen müssen, um ihr tägliches Brot zu ergattern. Ob die Bedingungen auf alle Handlungen durchschlagen oder die vernünftige Tat siegt, entscheidet immer noch der freie Wille. Wenn dem aber so ist, dann kommt für diejenigen, die eine Veränderung des Bestehenden anstreben, der moralische Aspekt ihrer Aktionen eine höhere Bedeutung zu, als bisher in der Linken angenommen wurde. Langfristige und kurzfristige Interessen Gewöhnlich wird der Einwand vorgebracht, es liege im langfristigen Interesse, die kapitalistische Katastrophenökonomie abzuschaffen, sodass man keine moralischen Gründe brauche und Moral bei den Handlungen nebensächlich sei. Dies ist jedoch falsch. Denn die Rede von den langfristigen Interessen übersieht den Zeitrahmen, diese zu verwirklichen. Wenn ich meine langfristigen Interessen in meinem Leben niemals erreichen werde, und so sieht es zurzeit aus, dann besteht zunächst für den Einzelnen kein offensichtlicher Unterschied zwischen moralischen Gründen für eine Veränderung der Gesellschaft und den langfristigen Interessen daran. Wohl aber besteht ein praktischer Unterschied: Das Eintreten für eine bessere Gesellschaftsordnung ist im eminenten Sinne moralisch, während die Rede von langfristigen Interessen ständig umzuschlagen droht in das Handeln für seine unmittelbaren Interessen in der kapitalistischen Gesellschaft. Der Weg der linken Akteure durch die Institutionen, den einige 68er propagiert hatten, endete bekanntlich mit dem Sieg der kurzfristigen Interessen an der Karriere. Moral in der kapitalistischen Gesellschaft Interessen haben keine Prinzipien in sich, die über die bestehende Gesellschaft hinausweisen. Eine Orientierung an Interessen verfällt der gleichen Kritik wie die an dem bürgerlichen Utilitarismus eines Bentham oder Mill. Eine angestrebte alternative Gesellschaft, die allein auf Interessen beruhen würde, zerfiele zwangsläufig wieder in unterschiedliche Sozialgruppen mit gegensätzlichen Interessen, wie die Geschichte der Sowjetunion gezeigt hat. Nur eine Moral, die vor der avancierten Vernunft bestehen kann, enthält zumindest theoretisch genug Widerstandspotenzial, um den amoralischen Verlockungen der heutigen Gesellschaft trotzen zu können. Diese moralische Seite einer zukünftigen Bewegung theoretisch zu fundieren, dient der wissenschaftliche Beitrag: Die Kritik an der materialen Wertethik. Moral ist in der kapitalistischen Gesellschaft sowohl eine ideelle Existenzbedingung der Klassenherrschaft als auch ein propagandistisches Mittel, diese abzusichern. Beide Funktionen erfüllt auch die Wertethik von Max Scheler, die als reaktionärer Konservativismus offen gelegt wird, der heute wieder unter den Ideologen propagiert wird. Dagegen setzen wir eine sozialistische Moral, die gegenwärtig nur eine des Widerstandes sein kann. Zurück zum Anfang des Editorials Zur gegenwärtigen Situation Das, was heute unter den Stichworten „neoliberale Wirtschaftspolitik“ und „Globalisierung“ auftritt, ist seiner Substanz nach eine „aggressive Wirtschaftsordnung, die - national wie global – alles dem Interesse einer kleinen Minderheit von Menschen unterordnet“ (P. Bürger in Telepolis). Die Bereicherung der Aktienbesitzer auf Kosten der Lohnabhängigen ist ebenso Klassenkampf von oben (vgl. unseren Aphorismus „Ein Tag im Mai“) wie die Aussaugung von Ressourcen und Menschen in den Entwicklungsländern. Wer dagegen allein seine kurzfristigen Interessen an gesicherten Arbeitsplätzen und mehr Wohlstand geltend macht, so berechtigt diese Forderungen auch sind, bleibt den Mechanismen der kapitalistischen Klassengesellschaft verhaftet. Wahrer Protest gegen diese ist deshalb im Wesentlichen selbstlos, also moralisch motiviert. Er entzündet sich am Leid der anderen. Nach Ansicht der „Süddeutschen Zeitung“ identifizieren sich immer weniger Bürger mit dem Staat – trotz des wir-sind-alle-der-Staat-Fußballweltmeisterschaft-Rummels. Auch das abhängige Kleinbürgertum hat Angst vor sozialem Abstieg angesichts einer Regierungspolitik, die vorrangig für das Großkapital wirkt. Die abnehmende Zustimmung zu den sogenannten Volksparteien zeugt davon. Der sittliche Verfall der Justiz setzt sich fort, wie die willkürlichen und ungesetzlichen Maßnahmen gegen die G8-Kritiker zeigen. Einige Vertreter der herrschenden Klasse vergessen alle rechtsstaatlichen Grundsätze, wenn sie sich durch Andersdenkende bedroht fühlen. Schäuble als Innenminister, der eigentlich das Recht schützen müsste, unterhöhlt die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger – und schert sich einen Dreck um entgegenstehende Urteile des Verfassungsgerichts. Der Trend, die Exekutive über alle anderen Verfassungsorgane zu stellen, ist weltweit zu beobachten. So hat der amerikanische Präsident mehr „Signing Statements“ produziert als alle seine Vorgänger zusammen, d. h., er hat mehr Gesetze der Legislative abgeschmettert als je einer, obwohl die Volkssouveränität von der Legislative ausgeübt wird. Mit diesen Statements deutet er Gesetze um und schafft neue Amtsbefugnisse, die nicht der Kontrolle durch die Legislative unterliegen, weil jedes Einschreiten des Kongresses durch ein neues Statement abgeschmettert wird. Hinter dieser Tendenz steht das Bestreben der Kapitalpolitiker, sich nicht mehr allein auf die Raffinesse ihrer ideologischen Beeinflussung und die Verblödungsweisen der Bewusstseinsindustrie zu verlassen, um in der bürgerlichen Demokratie die Massenbasis für die wenigen Profiteure zu sichern. Kein Wunder, dass die permanente Selbstermächtigung der Exekutive zur vorherrschenden Tendenz in der westlichen Welt geworden ist. Was soll man von einer Exekutive halten, deren Führer sich in Deutschland vor dem Volk durch einen neuen Grenzzaun absichern müssen. Die Berliner Mauer und Wandlitz lassen grüßen. Der Point of no Return zur offenen Diktatur ist zwar noch lange nicht erreicht, aber eine Diktatur ist auch nicht nötig, wenn die gelenkte Demokratie, die man bei Putin kritisiert, um von sich abzulenken, in Westeuropa funktioniert. Moral und Widerstand Wenn in den nächsten Tagen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm protestiert wird, dann äußert sich vehement ein moralischer Impuls gegen diese Trends. Was ist es anderes als Moral, wenn man dagegen protestiert, dass die Wirtschaftsordnung 30 Millionen Menschen auf der Erde jährlich an Hunger sterben lässt, dass die reichen Industriestaaten das größte Waffenarsenal aller Zeiten unterhalten und dass ihr „militärischer Humanismus“ nichts anderes ist als die Sicherung von Rohstoffquellen und Ausbeutungsstrukturen. Was anders ist es, wenn nicht nur politische, sondern auch soziale Menschenrechte eingeklagt werden, wenn gegen künstlich erzeugte Umweltkatastrophen, fehlende Trinkwasserversorgung und für erschwingliche Medikamente protestiert wird. Was soll Moral sonst sein, wenn nicht der persönliche Einsatz für eine lebenswerte natürliche und gesellschaftliche Umwelt, in der das Kapital nicht mehr die alles bestimmende Macht ist. Wer sich derart verhält, nützt seinen kurzfristigen Interessen kaum, er kann aber in Selbstachtung leben, für sich partiell Würde reklamieren, die er als Lohnabhängiger nicht hat. Er kann seine Freiheit für sich betätigen, statt sie umsonst in Profit materialisiert den Shareholdern oder einem Staat abzuliefern, der ihn bespitzelt, seine Demonstrationsfreiheit einschränkt und über seine unmittelbaren und langfristigen Interessen hinweg Politik betreibt. Also selbstverständlich auf die Läufe: Nach Rostock oder Heiligendamm! Die Masse ist unsere Stärke. Aber nicht als Bittsteller gegenüber den Staatschefs, sondern als antikapitalistische Kritiker, nur negativ. Bodo Gaßmann Zurück zum Anfang des Editorials Wenn Sie uns einen Kommentar schreiben
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